Wer mit einem Problem konfrontiert ist, kann damit auf verschiedene Arten umgehen. Zum einen kann er es ignorieren, hat dann aber keinen Einfluss auf die Folgen. Oder aber er wartet auf eine göttliche Eingebung oder ein Wunder. Schließlich kann er auch seinen, je nach Weltanschauung von Gott gegebenen oder aus dem Nichts entwickelten, Verstand benutzen. Und wenn er wirklich schlau ist, wird er seinen Verstand methodisch und systematisch gebrauchen, denn das ist fast immer effizienter und effektiver.

Eine der Methoden, die im Qualitätsmanagement sehr bekannt ist, nennt sich 8D-Report. Eigentlich passt das nicht ganz, denn der Report, also der Bericht, ist das Ergebnis der Methode. Entwickelt wurde das Ganze in der Mitte der Achtzigerjahre beim Automobilhersteller Ford in den USA, und der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat das heute im VDA Band 4 standardisiert. Ausführlich. Und deshalb scheiden sich daran die Geister: Für die einen ist es ein aufgeblähtes Dokumentationsungeheuer, die anderen betrachten es als allein selig machende Vorgehensweise. Liegt die Wahrheit, wie so oft, irgendwo in der Mitte? „Schaun mer mal“, sagt einer der berühmtesten Söhne meiner alten Heimatstadt.

Die Bezeichnung rührt von den 8 Disziplinen her, die bei der Methode aufeinanderfolgen. Und die schauen wir uns jetzt mal an.

D1. Team zusammenstellen

Bereits hier werden die Weichen dafür gestellt, wie gut das Resultat ist und wie effizient der Vorgang abläuft. Wer fachlich oder persönlich ungeeignete Teammitglieder beruft darf sich nicht wundern, wenn es dann länger dauert oder ein fehlerhaftes oder unzureichendes Ergebnis erzielt wird. Bei Problemen mit der Hydraulik eines Flugzeuges wird in der Regel ein Experte für Aerodynamik nicht helfen können – der Elektrofachmann allerdings schon, denn diese beiden Sachgebiete sind heute eng miteinander verzahnt. Das Qualifikationskriterium „Der hat gerade Zeit dafür“ betrachte ich als suboptimal.

Ob man Teams bereits im Vorfeld definiert oder ad hoc zusammenstellt ist dabei in meinen Augen eine rein organisatorische Frage. Wichtig sind fachliche und soziale Kompetenz, Bereitschaft zur Mitarbeit, Befugnis zur Veränderung, gute Führung und ausreichende Anzahl. Und die Unterstützung durch einen sogenannter „Champion“ aus der höchsten strategischen Unternehmensebene, die von dem Problem betroffen ist.

D2. Problem beschreiben

Der nächste Fehler kann hier gemacht werden. Eine generische Beschreibung wie „Mein U-Boot taucht nicht“ ist in der Regel völlig unzureichend. Der Rheinländer schmunzelt da jetzt wahrscheinlich, denn für ihn ist klar, dass „ein U-Boot, das nicht taucht, nix taucht“. Die Aussage „wenn ich die Steuervorrichtung für die Entlüftungsklappen der Tauchzellen betätige, öffnen sich die Entlüftungsklappen nicht“ ist da schon genauer. Mitarbeiter der Howaldtswerke-Deutsche Werft sowie Träger des Sonderabzeichens „U-Bootpersonal“ können das sicher noch feiner granuliert beschreiben.

Mit der eindeutigen und genauen Beschreibung ist es aber noch nicht getan. Wenn möglich ist das Problem zu quantifizieren, z. B. „17% der Sensoren …“, „Mehr als die Hälfte aller …“ oder „jedes Mal, wenn ich die Hupe betätige …“. Und schließlich ist es, gerade in komplexen System, auch noch wichtig herauszufinden, welcher Bereich betroffen ist und was trotzdem noch funktioniert.

D3. Sofortmaßnahmen entwickeln und festlegen

Manchmal kann es notwendig sein, sofort etwas zu unternehmen, um die Auswirkungen des Problems zu minimieren oder abzustellen, bis eine permanente Lösung gefunden wird. In der Luftfahrt ist es gang und gäbe, den Betrieb von Komponenten oder sogar ganzen Luftfahrzeugen erst mal einzuschränken oder zu verbieten, bis das Problem geklärt ist.

Die richtige Frage dazu lautet „Welche Sofortmaßnahmen muss ich einleiten?“ und nicht „Muss ich da jetzt Sofortmaßnahmen einleiten?“. Wichtig dabei ist, ein gesundes, risikobasiertes Augenmaß zu behalten und immer zu prüfen, ob die Maßnahmen auch effektiv sind. „Gründlich kauen“ dürfte keine wirklich wirksame Maßnahme gegen Plastikteilchen im Schokoriegel sein.

D4. Ursachen des Problems ermitteln

Die in meinen Augen wichtigste Disziplin. Nur wenn die wahre Ursache gefunden wird, kann das Problem wirklich effektiv gelöst werden. Das steht für mich in Analogie zu Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen – auch diese führen nur dann zu guten und wirtschaftlichen Ergebnissen, wenn sie klar und eindeutig definiert sind.

Wer Ursachen ermitteln will, sollte dabei nicht nur die fachliche, sondern auch die organisatorische Brille aufsetzen. Neben der Frage „Warum ist das aufgetreten?“ ist es auch noch hochinteressant zu erfahren „Warum wurde der Fehler erst jetzt entdeckt?“ und „Warum konnte es zu dem Fehler überhaupt kommen?“. Glücklicherweise gibt es eine gute Anzahl an Werkzeugen, die bei der Ursachenanalyse hilft, wie beispielsweise Ishikawa-Diagramme, 5-Why-Fragen sowie Histogramme und andere Statistik-Tools. Auch eine FMEA kann Daten für die Analyse liefern, und die Ergebnisse eines 8D-Reports können wiederum zurück in eine FMEA fließen.

Wenn mehr als eine Ursache ermittelt wurde ist es hilfreich festzustellen, welchen Anteil die jeweilige Ursache am Problem hat. Nehmen wir mal als fiktiven Fall an, dass ein Flugzeug einen in der Abflugzone stehenden Maibaum umgerissen hat. Die Ursache „Flugzeug war überladen“ dürfte mit Sicherheit schwerwiegender sein als „Maibaum war 2 Meter höher als im Vorjahr“.

D5. Abstellmaßnahmen planen

Sie wissen jetzt, was die Ursache für das Problem ist. Im IT Service Management sagt man jetzt, dass aus dem Problem ein bekannter Fehler wurde. Bevor jetzt aber wilder Aktivismus ausbricht, fordert die Methode, dass man sich erst einmal Zeit nimmt und die Abstellmaßnahme(n) plant. Nach folgenden Kriterien:

  • Sie hat das Ziel, Fehler künftig zu vermeiden anstatt nur besser zu entdecken.
  • Sie ist effektiv, was möglichst in einem Versuch vorab bestätigt wird.
  • Sie ermöglicht die Rückkehr zum Status Quo, falls sie doch nicht effektiv sein sollte.
  • Sie ist frei von Nebenwirkungen.
  • Sie ist effizient, oder anders gesagt wirtschaftlich.
  • Und der VDA ergänzt dazu noch: Sie verbessert vorrangig den Prozess, anstatt personell an den Prozessakteuren herumzudoktern.

D6. Abstellmaßnahmen einführen

Der Plan ist fertig. Jetzt kann er umgesetzt werden. Wenn alles wie geplant läuft (wirksam, nebenwirkungsfrei, …), dann sollte Sie nicht vergessen, die Sofortmaßnahmen aufzuheben. Sonst warten die Passagiere im Terminal noch länger.

Falls die Maßnahme wider Erwarten doch nicht funktioniert, gehen Sie einfach „zurück auf Los“ und planen Sie erneut. Sie haben doch den Rückfall oben eingeplant, oder?

D7. Wiederholung des Problems vermeiden

Fehler zu machen ist unvermeidbar, Fehler zu wiederholen jedoch …<Adjektiv ihrer Wahl>. Wo nötig und möglich ist es bestimmt keine schlechte Idee zu überwachen, ob sich die Maßnahme bewährt. Und um Wiederholungen zu vermeiden, sollten Sie jetzt auch prüfen und festlegen, welche weiteren Prozesse und Verfahren anzupassen sind. Die oben erwähnte Rückkopplung in die FMEA passiert auch jetzt. Schließlich kann es sinnvoll sein, die gelernten Lektionen an andere Mitarbeiter oder sogar öffentlich zu kommunizieren.

D8. Abschließen und Teamerfolg würdigen

Zwei Figuren stehen vor dem gelösten Puzzle

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Die Schlacht ist gewonnen, die Trümmer beseitigt, der General heftet den Überlebenden die Medaillen an die Brust. Ganz so dramatisch geht es meist nicht zu, aber „nicht geschimpft ist genug gelobt“ ist einfach nur un-menschlich. Ob Party, Prämienzahlung, Artikel in der Unternehmenszeitung oder persönlicher Dank durch den extra angereisten Vorstandsvorsitzenden – den Erfolg passend anerkennen gehört zum guten Ton. Und zur Methode. Nachdem der 8D-Report vollständig ausgefüllt wurde.

Fazit

Wie die Länge des Blogartikels zeigt ist ein kompletter 8D-Report schon mit einer Menge Arbeit verbunden. Sie sollten sich daher immer überlegen, ob das Problem komplex genug ist und diesen Aufwand rechtfertigt. Auch die Automobilindustrie hat das erkannt und eine weitere Disziplin Null (D0) eingefügt, in der es um diese Abwägung geht. Vielleicht reicht ja auch eine Methode wie Kepner-Tregoe, die allerdings eher eine Werkzeug zur Entscheidungsfindung ist. Methodisch vorgehen sollten Sie aber in jedem Fall. Ihre Vorgehensschritte sollten aufeinander aufbauen, und Sie sollten auf Fakten anstatt auf ihr Bauchgefühl hören.

Und wenn Ihre Fakten jetzt sagen, dass Sie bei dieser Thematik noch Hilfe benötigen, würden wir uns freuen, wenn Ihnen ihr Bauchgefühl sagt, dass wir dazu die geeigneten Partner wären.

 

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