Viele Menschen berichten, dass sie nach einem Gespräch plötzlich passende Online-Werbung sehen – etwa für ein Reiseziel, Produkt oder eine Krankheit, über die sie zuvor nur mündlich gesprochen hatten.
So berichtete der Tagesspiegel im März 2024: „Viele Menschen haben das schon erlebt – sie unterhalten sich über ein exotisches Urlaubsziel, ein ungewöhnliches Produkt oder eine spezielle Krankheit und kurz darauf erscheinen im Internet Anzeigen zu genau diesem Thema.“
Diese Erlebnisse nähren den Verdacht, dass Smartphones heimlich mithören könnten – vor allem, wenn es scheinbar keine andere Erklärung gibt.
1. Ist das legal – oder überhaupt möglich?
Rechtlicher Rahmen in Deutschland:
- Deutsche Medien weisen regelmäßig darauf hin: Das heimliche Abhören durch Smartphones ist in Deutschland verboten.
- Datenschutzgesetze wie die DSGVO und das Strafgesetzbuch (z. B. § 201 StGB – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) verbieten das gezielte, nicht autorisierte Mithören privater Gespräche.
Was sagen Experten?
- Der Tagesspiegel betonte, dass es bisher keinen Beweis für systematisches Abhören durch große Tech-Unternehmen gibt.
- Der TU-Berlin-Forscher Philip Raschke kam 2019 in einer Studie zu dem Ergebnis: „Technisch ist Mithören durch Apps zwar möglich, aber unwahrscheinlich – unter anderem wegen des hohen Energieverbrauchs.“ Apps, die dauerhaft das Mikrofon nutzen, würden den Akku stark belasten, was schnell auffallen würde.
- Die TV-Sendung Galileo (ProSieben, Februar 2024) sowie technische Analysen von der Northeastern University (USA) und dem Chaos Computer Club (CCC) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Apps mit Mikrofonzugriff könnten theoretisch mithören – aber es gibt keine Beweise, dass sie das ohne Nutzerinteraktion wirklich tun.
- Google und Meta (Facebook) betonen in ihren Datenschutzrichtlinien, dass keine Gespräche für Werbezwecke analysiert werden und das Mikrofon nur bei aktiver Nutzung (z. B. Sprachsuche) verwendet wird.
2. Was steckt wirklich hinter der passenden Werbung?
Tracking statt Abhören:
Wissenschaftler sehen andere Ursachen für „passend wirkende“ Werbung:
- Cookies & Webtracking
- App-Daten
- Standortverläufe
- Sprachassistent-Nutzungsprotokolle
- Gemeinsame WLAN-Nutzung (z. B. von Familienmitgliedern)
Diese Daten ermöglichen bereits sehr genaue Nutzerprofile, mit denen Werbung gezielt ausgeliefert werden kann – ganz ohne Mithören.
Psychologischer Effekt: Frequenz-Illusion:
Ein weiterer Erklärungsansatz ist ein psychologisches Phänomen der Frequenz-Illusion (auch: Baader-Meinhof-Phänomen). Man nimmt Dinge häufiger wahr, sobald man einmal darauf aufmerksam wurde – auch Werbung, die schon vorher da war, wird plötzlich bemerkt.
3. Internationale Perspektive
- Auch internationale Medien wie die Washington Post (Januar 2025) halten das gezielte Mithören durch Geräte für äußerst unwahrscheinlich.
- Der Northeastern-Forscher David Choffnes erklärt: „Die meisten angeblich abgehörten Fälle lassen sich mit anderen gesammelten Daten erklären – z. B. durch Suchverläufe, gemeinsame Netzwerke oder Zielgruppen-Algorithmen.“
- Selbst eine Klage gegen Apple wegen der Aufzeichnungen über Siri führte zu einem Vergleich – Apple betonte jedoch: „Siri-Daten werden nicht für Werbung verwendet.“
4. Fazit: Kein Beweis für systematisches Abhören
Bisher gibt es keine stichhaltigen Beweise, dass Smartphones systematisch Gespräche abhören, um Werbung anzuzeigen.
Stattdessen zeigen viele Studien und Medienberichte:
- Das Gefühl, „abgehört“ zu werden, lässt sich durch andere Erklärungen nachvollziehbar erklären.
- Die Werbeindustrie nutzt sehr präzise Trackingmethoden.
- Psychologische Wahrnehmungsverzerrungen verstärken den Eindruck des „Zuhörens“.
5. Was du tun kannst:
- Mikrofonberechtigungen überprüfen (Einstellungen → App-Berechtigungen)
- Werbeblocker verwenden
- Personalisierte Werbung deaktivieren (z. B. in Google-Konto-Einstellungen)
Kurz gesagt: Das Smartphone hört wahrscheinlich nicht mit – auch wenn es sich manchmal so anfühlt.
Bildnachweis: (C) edar, CC0 v1.0, Pixabay