„Aus der Zukunft lernen“, dieser Satz aus dem Vortrag zum strategischen Vorausdenken von Dr. Alexander Fink (ScMI) war aus meiner Sicht ein Schlüsselsatz, der kennzeichnend für den roten Faden im jährlichen RiskNET-Summit in Rosenheim war.

Der RiskNET-Summit, organisiert von der RiskNET GmbH, bot dieses Jahr mit etwa 80 Teilnehmern wieder mehr als einen „bunten Blumenstrauß“ an wissenswerten und zukunftsorientierten Vorträgen und interaktiven Workshops.
Das Thema „Risikomanagement“ wurde sowohl auf geopolitischer Ebene als auch im unternehmerischen Umfeld beleuchtet. Neben überaus interessanten Beiträgen von Fachreferenten aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen (Energie, Sport, Leasing, Technologie, Maschinenbau, Optik) konnten die Teilnehmer den überaus spannenden und lehrreichen Vorträgen der Referenten des Bundesnachrichtendienstes, der Führungsakademie der Bundewehr und des internationalen Fußballverbandes FIFA „lauschen“. Eine schöne Abrundung bot auch der anschauliche Vortrag des Bergsteigers David Göttler mit kurzen Videosequenzen über seine Mount Everest Besteigung (ohne Sauerstoff!)

Geopolitische Szenarien und Risiken der Zukunft als Herausforderung für uns alle

Mit einem Blick zurück auf unsere Welt in der Vergangenheit, in der es neue Erfindungen und Trends, aber auch einige gravierende Fehlprognosen gegeben hat (so beispielsweise 1946, Darryl F. Zanuck, Head of 20th Century-Fox: „Das Fernsehen wird nach den ersten sechs Monaten am Markt scheitern. Die Menschen werden es bald satthaben, jeden Abend in eine Sperrholzkiste zu starren“) stellte Dr. Alexander Fink dar, wie durch Umfeld- und Strategieszenarien eine Zukunftsmatrix erstellt werden kann, um damit „vor die Welle zu kommen“ und u.a. auch unwahrscheinliche Szenarien weiter beobachten zu können.

Auch im Beitrag von Professor em. Dr. Günther Schmid, ehemals Bundesnachrichtendienst (BND) wurde deutlich, wie wichtig es ist, geopolitische Themen in alle Risikobetrachtungen einzubeziehen.

So zeigte Prof. Schmid folgende Trends und den damit verbundenen Herausforderungen auf:

  • Märkte werden immer stärker durch politische Entscheidungen bestimmt
  • Unternehmensstrategie ist immer auch eine geopolitische Strategie
  • Herausforderung Nachhaltigkeit (inkl. sozialem Handeln) und Herausforderung Technologie
  • Trend zu einer multipolaren Welt, d.h. Abkehr von einer statischen Zentralisierung der globalen Macht (USA / CHINA)
  • Alle Trends haben sich seit Covid-19 verstärkt.

Risiken im unternehmerischen Umfeld: Nicht „Best Practice“ – sondern „Success Practice“

Dr. Andreas Kempf, Head of Corporate Auditing, Risk and Quality Management der Carl Zeiss AG zeigte in seinem Beitrag auf, wie wichtig Innovation als Absicherung der nachhaltigen Wertschöpfung ist.

Seinem Beitrag nach, ist Innovation eine wichtige unternehmerische Gestaltungsaufgabe in einer Welt, die sich radikal verändert. Netzwerke, strategische Allianzen und „emotionale Ressourcen“ beeinflussen heutzutage als geschäftskritische Ressourcen die unternehmerische Perspektive sehr stark. Diese sind im Gegensatz zu physikalischen Ressourcen nicht in einer Unternehmensbilanz lesbar und machen somit die (Geschäftsmodell-) Innovation „verdammt schwer“. Ausgehend von der Theorie des ökonomischen Wachstums, nach dem weltbekannten Wirtschaftswissenschaftler Schumpeter, ist die Absicherung geschäftskritischer Ressourcen unverzichtbar für den nachhaltigen Unternehmenserfolg („Value creation is a result of innovation based on social activities and exclusive combinations of resources utilised for the exploitation of business opportunities“, 1936)

Die Anforderungen der Steakholder und die damit verbundenen Risiken, falls diese nicht erkannt werden, sind auch bei zunächst noch geringem Handlungsdruck zu berücksichtigen, sonst nehmen Reaktionsfähigkeit und Handlungsspielraum immens ab. Bei nicht rechtzeitigem Handeln führt eine Stakeholderkrise über eine Strategiekrise zu einer Bedrohung der Überlebensfähigkeit. Um erfolgreich zu sein, geht es nicht darum, Best Practice sondern Success Practice, d.h. die unternehmenspassenden und tatsächlich erfolgsversprechenden Praktiken anzuwenden.

Wie mit Spielen Risikoszenarien geübt werden können

Oberstleutnant Thorsten Kodalle, Dozent für Sicherheitspolitik von der Führungsakademie der Bundeswehr zeigte am ersten Summit-Tag in seinem Vortrag zu „Wargames als praktische Einsatzbeispiele zur geopolitischen Risikoanalyse“ auf, wie sehr Simulationen und Spiele helfen können, Risiken einzuschätzen, gegnerisches Denken zu verstehen, mit Phantasie kritisch über Probleme nachzudenken und aus Niederlagen zu lernen.

“We may never know the right answers, but gaming can sometimes help us learn to ask the right questions.” Peter Perla
(Wir wissen vielleicht nie die richtigen Antworten, aber Spiele können uns manchmal dabei helfen, die richtigen Fragen zu stellen)

Am zweiten Nachmittag der Veranstaltung hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, in drei Gruppen das von Till Meyer (Spieltrieb GbR) konzipierte Brettspiel „Neustart“ zur Simulation eines Blackouts zu spielen. Hier lernten die Mitspieler, wie die verschiedenen Akteure auf einen totalen Stromausfall reagieren können.

BildIn diesem Spiel wie auch in den vorausgegangenen Beiträgen wurde deutlich, wie wichtig neben den Konzepten das Spielen und Üben von verschiedenen Risiko-Szenarien ist und genauso wie beispielsweise jährliche Brandschutzübungen zur Selbstverständlichkeit werden sollten.

Auch alle anderen Vorträge waren hochinteressant und trugen zu einer Gesamtsicht über den Umgang mit Risiken bei.

So stellte Stefan Grobig, Leiter Vermarktung der Lausitz Energie Kraftwerke AG, das Risiko der Abhängigkeit und Unsicherheit in den Energiemärkten dar. Dr. Christian Glaser, Generalbevollmächtigter der Würth Leasing AG referierte über die Cyber Security als unterschätzte Achillesferse im Risikomanagement vieler Unternehmen und zeigte auf wie die Cyberkriminalität zu einer weltweiten Arbeitsteilung („Drogenhandel 2.0“) geworden ist und Joern Schlimm, Senior Manager Audit, Risk & Advisory des internationalen Fußballverbandes FIFA zeigte auf wie mit neuen Technologien, der Generation Alpha und dem demografischen Veränderungen sich die Sportindustrie im Wandel befindet.

Ausblick

Ein unternehmensinternes Risikomanagement sorgt für kontinuierliche Verbesserungen und kann die eigene Innovationskraft erhöhen, es werden neben Risiken auch Chancen erkannt und abgewogen, Prozesse werden optimiert und auch Produkte und Service können sich dadurch verbessern. Das Management von Risiken ist bereits seit vielen Jahren Bestandteil von internationalen Managementnormen, wie der ISO 9001, ISO 27001 als auch in einer separaten Norm, ISO 31000 geregelt.

Ab dem 1. Januar 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten (ab Jan. 2024 ab 1.000 Beschäftigte) gem. dem Lieferkettengesetz ein Risikomanagement zwingend einführen.

Fazit

Für mich war es der erste Besuch beim RiskNET-Summit. Ich fand sowohl die Vielfalt der Beiträge als auch die familiäre Atmosphäre (viele Teilnehmer kommen schon seit vielen Jahren!)  der Veranstaltung besonders bemerkenswert. Auch die Location mit dem herrlichen Blick auf die Chiemgauer Berge und das Abendprogramm mit leckerem Essen trug zur guten Atmosphäre bei.

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Startbild:
(C) Alexandra_Koch, CC0 v1.0, Pixabay
Bild vom Spiel: (C) Doris Schellies