Obwohl die Deutsche Bahn sich Mühe gab, unsere Anreise zum Kongress am 23.02.2017 zu verzögern, schafften wir es dennoch fast pünktlich: Den Auftakt in Form des Kurzvortrags „Megatrend Digitalisierung – Aufgabe für die deutsche Wirtschaft“ von Dr. Thomas Endres, ehemaliger Chief Information Officer (CIO) der Deutschen Lufthansa und Präsident der Voice e. V., bekamen wir fast komplett mit.

Einer seiner Impulse betraf Methoden und Methodenkompetenz. Hier sprach er von agilen Methoden, Controlling, Wasserfall, Effectuation und Plattform-Ökonomie und wies dabei darauf hin, das es weiterhin sinnvoll sein kann, klassische Entwicklungsmethode zu nutzen.

Digitalisierung in Deutschland und Europa

Quelle: Alexander Glöckner

Ein weiterer Aspekt der Ausführungen von Dr. Endres war das Wissen in den Unternehmen. Unter den Schlagworten „Skills und skillshift“ appellierte er an Unternehmer, sowohl ihr internes als auch externes Wissen, wie z. B. das von Partner und Lieferanten, mehr wertzuschätzen und sich zunutze zu machen. Den Terminus des „War for Talents“ hielt er in weiten Teilen für Unsinn, da es suggeriere, die Unternehmen hätten kein eigenes Wissen und müssten dies generell zukaufen. In diesem Kontext wies er auch auf die versteckten Fähigkeiten von Mitarbeitern (2nd skill), die es hervorzuholen und nutzbringend für das Unternehmen einzubinden gelte. Da kann ich ihm nur zustimmen — viele Talente und Fähigkeiten liegen in den Unternehmen brach.

Bei der Roadmap für die Digitalisierung regte Dr. Endres an, Geschäftsimpulse und IT-Impulse stärker  zu verzahnen bzw. zusammenzuführen. Es gelte, ein gemeinsames Ergebnis als Arbeitsgrundlage für das Business und die IT zu schaffen. Nach meiner Auffassung kann die IT-Branche von der „Old economy“, wie z.B. Maschinenbauer, Fahrzeughersteller, Elektronikhersteller, etc., genauso viel lernen wie umgekehrt. So sollten Unternehmen der IT-Branche bewährte Methoden wie beispielsweise der risikobasierten Analyse von Anforderungen an das Produkt in ihren Produktherstellungsprozess integrieren. Denn Qualität und funktionale Sicherheit müssen in den Anforderungen an das Produkt und im Produktdesign berücksichtigt werden.

Zum Abschluss seines Vortrages wies Dr. Endres auch auf das weiterhin hochbrisante Thema IT-Security bzw. Cyber-Security hin. An dieser Stelle ging sein Appell ganz klar in Richtung Bemühungen, das Bewusstsein und die Risiken im Kontext von IT und Business weiter zu schärfen und zu verbessern.

Informationsrisikomanagement

Im anschließenden Vortrag auf der Bühne 2 präsentierte Herrn Heun, Geschäftsführer der CARMAO GmbH, seinen Ansatz des nachhaltigen Informationsrisikomanagements mit dem 360- Grad-Blick.

Als Einstieg stellte er das Risikobarometer der Allianz-Versicherung von 2016 vor. Unter den „Top Ten“ der Unternehmensrisiken standen auf Platz 1 Betriebs- und Lieferkettenunterbrechung mit 38% und auf Platz 3 Cybervorfälle (Cyberkriminalität, Verletzung von Datenschutzrechten, technisches Versagen) mit 28% — Tendenz bei Letzteren steigend!

In einer eigenen Studie hatte Herr Heun 300 Unternehmen befragt, wie diese ihre Informationsrisiken managen und mit den Herausforderungen der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachbereich im Unternehmen umgehen. Nur 13 % der Befragten gaben an, dass sie umfassende Verfahrensweisen hätten, um die Schnittstellen der Bereiche zu managen und gut zusammenzuarbeiten. Von den übrigen fehle bei 63% ein Grundkonzept zur Lösung, und 57% gaben zu, dass ihnen das interne interaktive Denken hierzu fehle. Diese Zahlen sprächen für einen ganzheitlichen Ansatz im Unternehmen und für die 360-Grad-Methode. Das zentrales Element dieser Methode ist Informationsrisikomanagement, woran sich Business Continuity Management, Informationssicherheitsmanagement, IT-Governance, Compliance Management, Unternehmenssicherheit und Business Process Management anschließen.

Nach meiner Auffassung ist das eine zu stark auf die IT ausgerichtete Betrachtung. Die Fachbereiche des Finance & Controlling, des Umweltmanagements, des Qualitätsmanagements, des Datenschutzes, der Forschung und Entwicklung, der Fertigung, der Arbeitssicherheit, der Legal Compliance, etc.. mit ihren Anforderungen und Risiken müssen hier gleichfalls berücksichtigt werden. Unternehmen müssen alle Fachbereiche mitnehmen und in diese ganzheitliche Denkweise einbinden.  Zwar ist die Aussage von Herrn Heun, dass Informationen und Informationstechnologie alle Unternehmensbereiche durchdringen, absolut richtig. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass Informationen nicht nur digital vorliegen und Informationsverarbeitung nicht ausschließlich mit IT-Systemen erfolgt. Deshalb sind zentral koordiniert Maßnahmen erforderlich, um alle Beteiligten und Betroffen im Unternehmen und im Umfeld des Unternehmens auf den sicheren Umgang mit sensiblen Daten und Informationen einzuschwören.

Rundgang bei den Ausstellern

Mit mehr als 30 Sprechern auf vier verschiedenen Bühnen und 120 Ausstellern gab es reichlich Impulse für Gesprächsstoff. Wir konnten an diversen Ständen interessante Gespräche führen und erfolgversprechende Lösungen kennenlernen.

Impressionen aus der Ausstellerhalle:

Impression Ausstellerhalle

Quelle: Alexander Glöckner

 

Impression Ausstellerhalle

Quelle: Alexander Glöckner

Neue Kommunikationswege besser nutzen

Highlight des Tages war für mich der Vortrag von Herrn Lutz Hirsch, Geschäftsführer der Hirschtec GmbH & Co. KG aus Hamburg. Er legt sehr schön dar, wie sich in den nächsten zehn Jahren die Unternehmenssituationen bzgl. des Wissens und der Kompetenz signifikant verändert dürfte. Denn wenn die geburtenstarken Jahrgänge der sechziger und siebziger Jahre ab 2022 in Rente gingen bzw. sich darauf vorbereiteten, würden ca. ein Drittel der Arbeitnehmer plötzlich weg sein. Der mögliche Wissensverlust werde für die kleinen und mittelständischen Unternehmen eine herausfordernde Aufgabe.

Digitalisierung an allen Orten

Quelle: Alexander Glöckner

Gleichzeitig spräche jeder von Digitalisierung und digitaler Transformation, wie z.B. Smart Home, Smart Office, etc. Aber wie sieht die derzeitige Realität aus? Die ehemalige Pinnwand wurde digitalisiert und zeigt sich auf dem Desktop des PCs der Mitarbeiter!

Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen stünden hier vor einer weiteren Herausforderung. Mitarbeiter nutzen privat neue Kommunikationswege und Medien, wie z.B. Facebook, Xing, WhatsApp, Wiki usw. Im Unternehmen kann jedoch vielerorts nur mit Word, Excel und E-Mail gearbeitet werden. Digitale Interaktion gibt es oftmals nicht. Ein Praxisbeispiel von Lutz Hirsch war, dass Mitarbeiter über eine WhatsApp-Gruppe Interaktion im Unternehmen organisierten, möglicherweise auch noch Firmeninfos darüber kommunizierten. Das dürfe aber nicht der Weg sein.

Aus diesem Grunde legte Herr Hirsch nahe, die neuen Kommunikationsmittel und -wege für Firmenzwecke nutzbar zu machen. So zeigte er das Intranet eines Kunden, welches eine Messenger-Funktion beinhaltet. Mit dieser können sich die Mitarbeiter schnell und unkompliziert austauschen, ohne lange E-Mail-Threads zu produzieren. In einem anderen Beispiel können Mitarbeiter ihre Mobilgeräte nutzen und die Zeiterfassung oder die Krankmeldung via App abgeben.

Die Kommunikation im Unternehmen, aber auch die mit Lieferanten und Geschäftspartnern, hat sich bzw. wird sich verändern. Die Chance, die Herr Hirsch und ich hier sehen ist, dass mit den richtigen Mitteln mehr Wert für das Unternehmen geschaffen werden kann. Das muss allerdings richtig und zweckmäßig, im Kontext des jeweiligen Unternehmens, vorab ermittelt werden.

Bei allem Tun und Handeln steht weiterhin der Mensch im Vordergrund. Denn die Menschen im Unternehmen haben das Organisationswissen, das Produktwissen und das Kundenwissen. Dieses Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter machen mindestens 70% des Unternehmens aus — die Prozesse vielleicht 20 % und die Technologie nur 10%.

Unser Fazit dieses Kongresstages lautet:

„Es war eine gute Mischung aus Impulsvorträgen und Lösungsanbietern, die zum Dialog einlud.“